Gesamter Geschäftsbericht 2017:
Auszüge des Geschäftsberichts 2017:
Die Aktie/Investor Relations/Aktiendaten
Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung
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Interview mit dem Vorstand
»Wir haben Schritt für Schritt erfolgreich alle Maßnahmen umgesetzt, die wir schon
Ende 2016 identifiziert und kommuniziert haben.
Wir sind in einer deutlich besseren Ausgangslage als noch zu Beginn des letzten Jahres.«
NanoFocus AG
Der Vorstand
Marcus Grigat: Natürlich sind wir mit den wirtschaftlichen Aspekten nicht zufrieden. Leider lagen wir mit 11,8 Mio. EUR auch in 2017 beim Umsatz noch unter Plan. Wir planten ursprünglich 13 Mio. EUR. Einen großen Teil unseres Umsatzes machen wir in den Innovations- und Entwicklungsbereichen unserer Kunden, gerade auch was den Automobilbereich anbelangt. Hier führte die generelle Verunsicherung der Branche durch die Abgasmanipulationen zu einem spürbaren Rückgang aller nicht unmittelbar produktionsrelevanten Investitionen. Unsere Projekte haben technologisch mit dem Dieselthema nichts zu tun, doch für ein Technologieunternehmen unserer Größe wird ein genereller Investitionsstau in Innovationsbereichen sofort spürbar.
Eine positive Entwicklung für 2017 und den Start ins aktuelle Geschäftsjahr liegt an unserem erfolgreichen Krisenmanagement. Wir haben umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben und was notwendig war, um uns gute Chancen auf einen wirtschaftlichen Turn-Around zu schaffen. Das positive EBITDA von 220 TEUR auf Konzernebene ist ein erster Restrukturierungserfolg. Wir sind in einer deutlich besseren Ausgangslage als noch zu Beginn des letzten Jahres.
Marcus Grigat: Das Wichtigste für uns ist es, wieder schlagkräftig zu werden. Schlagkräftig heißt, dass wir die Fixkosten deutlich senken mussten. Das haben wir geschafft. Es bedeutete auch, unsere F&E-Quote auf ein branchenübliches Normalmaß zu bringen. Nach dem Abschluss wichtiger notwendiger Technologieentwicklungen konnten wir auch diesen Punkt in 2017 verwirklichen. Technologisch sind unsere Systeme und Sensoren in vielen Anwendungsszenarien führend; die Zeit der Grundlagenentwicklungen ist vorbei. Unser F&E-Anteil von 13,3 % ist angemessen hoch für ein Hightech-Unternehmen. Unsere Systeme sind auf hohem Niveau marktreif. Hier spielen wir technologisch in der Weltspitze.
Ein entscheidender Hebel für die Verbesserung unserer Kostenstruktur war auch die deutliche Reduzierung unserer finanziellen Projektrisiken. Wir haben uns aus Großprojekten in den Bereichen Automotive und Halbleiter zurückgezogen, bei denen wir über lange Zeit zu hohe Risiken anhäuften in der Hoffnung, irgendwann zukünftige Gewinne zu erreichen. Damit waren wir zu anfällig für eine Menge unkalkulierbarer Entwicklungen, vor allem aufseiten unserer Projektpartner.
Joachim Sorg: Wir stehen immer noch für attraktive Entwicklungsprojekte bereit, aber nur als abgesicherter Teil eines Kundenbudgets. Hier geht es dann um Auftragsanpassungen und nicht mehr um Grundlagenentwicklungen. Die zentralen Punkte sind Risikominimierung und die neue Ausrichtung. Wie Marcus Grigat schon sagte, geht es um Schlagkräftigkeit und dazu gehört finanzielle Projektsicherheit. Was unsere Technologie und Produkte anbelangt, gehen wir mit großer Kontinuität vor. Wir haben viele Dinge richtig gemacht. Allerdings ist es schon so, dass wir mit der aktuellen Strategie einen notwendigen Wechsel in der Unternehmenspolitik vorgenommen haben.
Hierzu gehören auch die außerplanmäßigen Abschreibungen in 2017. Mit der Neubewertung der Aktiva haben wir auch bilanztechnisch die Neuausrichtung abgeschlossen. Damit haben wir Schritt für Schritt erfolgreich alle Maßnahmen umgesetzt, die wir schon Ende 2016 identifiziert und kommuniziert haben. Die Ziele lagen von Anfang an in der Risikoreduzierung, Fokussierung und Kostensenkung.
Joachim Sorg: Und eine der wichtigsten. Die Partnerschaft mit der Mahr GmbH ist ein Meilenstein für die NanoFocus AG. Sie ist auch ein Teil unserer Kostenstrategie. Bei dem Aufbau einer effizienten Vertriebsstruktur, mit der wir in Asien oder anderen internationalen Märkten erfolgreich sein können, sind uns aus eigener Kraft einfach Grenzen gesetzt. Hier müssen über Jahre Marktpositionen aufgebaut werden. Deshalb verfolgen wir schon länger die Strategie, einen internationalen Vertriebspartner zu finden, der unsere Systeme weltweit vertreiben kann. Mit der neuen Generation der µsurf und µsprint Systeme haben wir marktreife Spitzengeräte. Die Kooperation mit Mahr öffnet unserer Technologie einen Zugang zu sehr attraktiven Märkten. Gleichzeitig gibt uns die Zusammenarbeit Stabilität und wir bleiben dicht am Markt und können auf technologische Trends im Standardbereich schnell reagieren. Unsere Kompetenzen sind die Sensorentwicklung sowie Messtechnik-Know-how. Darauf können wir uns nun konzentrieren, auf die Entwicklung von technologisch führender Hard- und Software für die dreidimensionale Oberflächenmessung.
Joachim Sorg: Für Mahr ist es ebenfalls ein wichtiger Schritt. Das Unternehmen erweitert sein Produktportfolio strategisch um die optische konfokale Messtechnik. Die hochpräzise dreidimensionale Analyse von Oberflächen bis in den Nanometerbereich hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch an Bedeutung gewonnen. Viele Messaufgaben in der Halbleitertechnik, in der Medizin oder Materialwirtschaft lassen sich nur noch durch Messverfahren lösen, wie sie von der NanoFocus AG bereitgestellt werden. Im Bereich der taktilen Systeme gehört Mahr bereits zu den weltweit führenden Anbietern. Die Ergänzung durch unsere konfokalen Systeme ist eine wichtige Erweiterung im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der Messtechnik. Sie bestätigt auch, was wir bei NanoFocus seit mehr als 20 Jahren für die Messtechnologie und ihre Weiterentwicklung geleistet haben.
Marcus Grigat: Unsere Standardsysteme der µsurf und der µscan Reihe bilden die neue MarSurf Produktreihe von Mahr. Diese Produktreihe umfasst konfokale Messsysteme für Einsätze im Bereich der Entwicklung, der Qualitätssicherung und der Fertigungsmesstechnik. Der Vertrieb unseres Standardbereichs wird komplett und exklusiv von Mahr übernommen. Die Vertriebsmitarbeiter, die den Standard/Labor-Bereich bisher bei uns erfolgreich verantwortet haben, wechseln zu Mahr und bilden die Kernmannschaft des zukünftigen internationalen Vertriebs der optischen Produkte. Auf diese Weise ist die notwendige technologische Vertriebskompetenz von Anfang an gesichert.
Die NanoFocus AG ist nun exklusiver Hersteller dieser Systeme für die Mahr- Gruppe. Darüber hinaus ist es natürlich nicht ausgeschlossen, in Zukunft auch gemeinsame Weiterentwicklungen der Systeme auf den Markt zu bringen. Zunächst liegt der Schwerpunkt auf dem Ausbau eines internationalen Vertriebs der MarSurf Reihe – dank NanoFocus verfügt Mahr nun über Konfokalmessgeräte, die technologisch zu den weltweit leistungsfähigsten gehören.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass diese Kooperation sich nur auf eines unserer Geschäftsfelder bezieht, auf Standard/Labor. Unsere anderen Bereiche und sämtliche laufenden Projekte bleiben unverändert. Auch für unseren etablierten Kundenstamm ändert sich nichts. NanoFocus bleibt ein unabhängiger Entwickler und Hersteller anspruchsvoller Lösungen für industrielle Messaufgaben.
Joachim Sorg: Das Geschäftsmodell ändert sich nicht, es ändert sich nur der Schwerpunkt. NanoFocus wird sich deutlich mehr in Richtung spezifischer Kundenlösungen orientieren. Das sind unsere aktuellen Bereiche custom und OEM. Hier liegt unsere technologische Kernkompetenz und hier wird der zukünftige Fokus der Marke NanoFocus sein. Diese Bereiche sind völlig unabhängig von Mahr. NanoFocus hat einen wirklich exzellenten Ruf. Dieser Ruf beruht nicht zuletzt auf unserem kompetenten und zuverlässigen Service und auf unserer Fähigkeit, für sehr spezielle und anspruchsvolle Aufgaben genau die richtigen Messlösungen zu konfigurieren. Unsere custom-Systeme sind immer Branchenlösungen, sei es für die Medizintechnik, die Halbleiterindustrie, den Motorenbau und anderes. Der seit Jahren erfolgreiche µsurf cylinder ist zum Beispiel auch ein custom-System. Die Standardgeräte sind High-End-Allroundlösungen. Hier beliefern wir nun exklusiv Mahr. Unsere custom-Systeme sind die Keimzelle für die Produktinnovationen im Standardbereich.
Marcus Grigat: Es handelt sich bei den custom-Geräten und OEM-Sensoren um dieselbe NanoFocus-Kerntechnologie wie im Standardbereich. Im custom-Geschäftsbereich passen wir diese Technologien kunden- und branchenspezifisch an bestimmte Entwicklungs- und Produktionsprozesse an. Zum Beispiel unseren µsprint Sensor, der durch den erfolgreichen Abschluss des HiCOS3D-Projekts noch einmal erheblich leistungsfähiger geworden ist.
Für die Entwicklung solcher maßgeschneiderter Kundensysteme ist Erfahrung und Innovationskraft nötig. Wir haben einen Erfahrungsschatz, was die Anpassung unserer Hard- und Software an unterschiedlichste Messaufgaben anbelangt. Hier stehen wir für maßgeschneiderte Innovationen, und so sehen wir uns auch, als Innovator der Industrie.
Joachim Sorg: Ja, und darauf sind wir auch stolz. Die NanoFocus AG ist zum vierten Mal in Folge unter den 50 innovativsten Mittelstandsunternehmen Deutschlands. Von 3.500 Unternehmen, die von dem Magazin WirtschaftsWoche ausgewertet wurden, belegen wir Platz 30; damit gehört die NanoFocus AG zu den Innovations-Champions.
Auch im Innovationsmonitor des Magazins brand eins gehören wir wieder zu den Innovationsführern. Von der Redaktion wurden 25.000 Experten aufgefordert, die aus ihrer Sicht wichtigsten Unternehmen zu identifizieren. Die NanoFocus AG gilt als eines der innovativsten Unternehmen im Bereich Elektronik, Elektro-, Automatisierungs- und Messtechnik.
Marcus Grigat: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass unsere Technologie für sehr viele Branchen interessant ist. Den µsurf cylinder haben wir ja bereits erwähnt. Ein ganz aktuelles Projekt sind unsere neuen Messplätze für die Qualitätssicherung von Mikrolinsen. Durch die fortlaufende Weiterentwicklung von Sensoren und Elektronikgeräten wird der gesamte Bereich der Mikrooptik in den kommenden Jahren mit Sicherheit stark an Bedeutung gewinnen. Gleiches gilt auch für die Medizintechnik; hier haben wir kürzlich eine neue Applikation zur Kontrolle von Hüftimplantaten fertig gestellt und verkauft. Für die Halbleiterherstellung arbeiten wir aktuell an Systemen zur Kontrolle sogenannter Leadframes. Diese Messaufgaben sind mit den schnellen berührungslosen 3D-Systemen von NanoFocus deutlich besser lösbar. Daneben gibt es Bereiche, in denen wir schon seit Jahrzehnten weltweit sehr erfolgreich sind, zum Beispiel bei der Vermessung von Rasierklingen. Hier beliefern wir fast alle Hersteller. Stark engagiert sind wir auch in Zukunftsthemen wie bei der Produktionskontrolle von Brennstoffzellen.
Das Beispiel für ein seit vielen Jahren stabiles OEM-Geschäft ist natürlich unsere Kooperation mit der Ultra Electronics Forensic Technology Inc. in Kanada. Die Analysesysteme des Spezialisten für forensische Kriminaltechnik werden schon lange mit Technologie und Software von NanoFocus ausgestattet. Wenn Sie eine Folge der bekannten Serie CSI ansehen, sehen Sie bestimmt irgendwann ein Gerät im Hintergrund, in denen Sensoren von uns stecken.
Joachim Sorg: Der kanadische Kunde ist für uns ein gutes Beispiel, wie so etwas auch in anderen Branchen aussehen könnte. Was zukünftige mögliche OEM-Kooperationen anbelangt, so sehen wir vor allem in der Halbleiterindustrie einige Perspektiven. Mit dem µsprint Sensor haben wir eine weltweit führende Technologie für den Einsatz in der schnellen Produktionskontrolle entwickelt. Wir wissen bereits aus zahlreichen Gesprächen vor Ort, dass dies besonders für die Produktionsstandorte in Asien sehr interessant ist.
Joachim Sorg: Ja. Wir haben unsere Restrukturierung erfolgreich abgeschlossen, Risiken minimiert und – auch durch innovative Formate wie Crowd-Invest-Modelle – die notwendige Liquidität gesichert. Außerdem haben wir einen strategischen Partner gefunden, der uns eine deutlich höhere wirtschaftliche Stabilität gibt. In unserer Ausrichtung haben wir neue Schwerpunkte bei custom und OEM gesetzt. Alle diese Punkte bieten uns gute Erfolgschancen für das laufende sowie die kommenden Jahre. Die Basis steht. Jetzt geht es darum, den Turn-Around zu erreichen. Wir sind zuversichtlich.